Alltagsbetreuung im Seniorenzentrum

Shade Kareb ist eine von neun Betreuungskräften, die sich in unterschiedlichen Alltagsaktivitäten mit den Bewohner/innen beschäftigen.

»Alleine könnte ich das gar nicht mehr machen …«

Der aufmerksame Zeitungsleser konnte in den letzten Jahren einige Änderungen bei den Leistungen der Pflegeversicherung verfolgen. Nicht jede dieser Gesetzesänderungen kam bei den Betroffenen – zumeist ältere Menschen, die in einem Pflegeheim oder im häuslichen Umfeld betreut werden – als spürbarer Mehrwert an. Doch eine Neuerung brachte für Menschen mit Pflegebedarf eine deutliche Verbesserung: die zusätzliche Betreuung und Aktivierung.

Über die Pflegekassen finanziert, wurde dies zunächst im Bereich der stationären Pflege eingeführt. Seit 1. Juli 2009 konnten alle Pflegeheime alltagsorientierte Betreuungsangebote für ihre Bewohner/innen mit demenziellen Erkrankungen sowie für Bewohner/innen mit psychischer oder geistiger Einschränkung etablieren. Das Seniorenzentrum im Anna Haag Mehrgenerationenhaus hat dies von Beginn an umgesetzt und gerade für Mensche  mit Demenz als enorme Bereicherung erlebt.

Mit Beginn des Jahres 2015 wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung umfassend ausgebaut: Seitdem haben alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Pflegeeinrichtung, aber auch alle Kunden ambulanter Pflegedienste Anspruch auf diese Alltagsbetreuung. Die Leistung ist dabei nicht mehr an eine bestimmte Erkrankung – wie Demenz – gebunden, sie steht nunmehr grundsätzlich alle Menschen mit einem pflegerischen Hilfebedarf zu.

Für das Anna Haag Mehrgenerationenhaus bedeutet dies, dass die Betreuungsangebote im stationären Bereich noch einmal deutlich ausgebaut werden konnten. Inzwischen beschäftigt das Seniorenzentrum für seine 84 Bewohner/innen neun zusätzliche Betreuungskräfte auf viereinhalb Vollzeitstellen. Die Mitarbeiterinne sind einem Wohnbereich zugeordnet, somit kennen sie »ihre« Seniorinnen und Senioren sehr gut, wissen um ihre Vorlieben und Eigenheiten. Umgekehrt haben die Senior/innen dadurch feste Bezugspersonen, denen sie von ihrem Leben oder der Familie erzählen können und die ein offenes Ohr haben, wenn es einmal nicht so gut geht.

Das Spektrum der Alltagsbetreuung ist breit gefasst, wobei sowohl Gruppenangebote als auch Einzelaktivitäten möglich sind. Unter der Woche, von Montag bis Freitag, finde auf allen drei Wohnbereichen des Anna-Haag-Hauses von 9.30 bis 13.30 Uhr sowie von 14.30 bis 18.30 Uhr Gruppenbetreuungsangebote statt. Ebenfalls zu diesen Zeiten kommt an Samstagen und Sonntagen ein wohnbereichsübergreifendes Gruppenangebot hinzu. Die Aktivitäten reichen vom gemeinsamen Kuchen backen über Vorlesen und Fotoalben ansehen, Basteln, Gesellschaftsspiele, Musik hören und Singen, Spazierengehen und Einkaufen, Bewegungsübungen oder Tanzen, bis hin zum Besuch kultureller Veranstaltungen, eines VfB-Spiels oder bei Freunden und Angehörigen. Die Wahl der Angebote orientiert sich an den Wünschen, individuellen Interessen und Biographien der Bewohner/innen, die Betreuungskräfte achten dabei jedoch auch auf das jeweilige Befinden bzw. die Tagesform der Senioren.

Jörg Schnatterer, Vorstand des Anna Haag Mehrgenerationenhauses, sieht die Betreuung als echten Meilenstein: »Das zusätzliche Angebot ist für die Senioren ausgesprochen wertvoll, es gibt nun Menschen, die sich viel Zeit nehmen können. Dies wiederum entlastet die Pflegefachkräfte und führt insgesamt zu einer spürbaren Qualitätsverbesserung.«

Shade Kareb kann sich Zeit nehmen, auf »ihre« Senioren individuell eingehen und auch einfach einmal zuhören, wenn jemand Sorgen hat.

Shade Kareb kann sich Zeit nehmen, auf »ihre« Senioren individuell eingehen und auch einfach einmal zuhören, wenn jemand Sorgen hat.

Im Bereich der häuslichen Pflege, die für das Anna Haag Mehrgenerationenhaus die Tochtergesellschaft »Anna Haag Mobil – Pflege und Service rund um die Familie« abdeckt, bewirken die Betreuungsleistungen ebenfalls einen Doppeleffekt: Sie verbessern die Lebensqualität der Betroffenen und entlasten zugleich deren Angehörige. Auch hier wurde 2015 der Kreis der Personen, die Anspruch auf Einzelbetreuung haben, deutlich erweitert. Nun sind Pflegebedürftige mit, aber auch ohne Demenz anspruchsberechtigt. Anna Haag Mobil hat die Erfahrung gemacht, dass beide Personengruppen auch im häuslichen Umfeld von der zusätzlichen Betreuung profitieren. Dazu zwei Beispiele aus der Praxis:

Frau B., 69 Jahre, lebt gemeinsam mit ihrem Mann in Stuttgart- Ost. Sie war Rechtsanwaltsgehilfin, bis sie vor sieben Jahren an Demenz erkrankte. Seit etwa drei Jahren benötigt sie, zusätzlich zur Unterstützung im Haushalt, Hilfe bei der Körperpflege. Diese Aufgabe übernimmt Herr B. sehr fürsorglich. Seit einem Jahr kann Frau B. nicht mehr alleine bleiben. Sie muss ihren Mann zu allen Erledigungen begleiten, was für beide sehr anstrengend ist. Seit Herbst 2015 nimmt Frau B. Betreuungsleistungen in Anspruch. Zwei Mal in der Woche kommt Ute Harm, Betreuungskraft bei Anna Haag Mobil, zu ihr nach Hause. Frau Harm betreut Frau B. in der Zeit, in der Herr B. die anfallenden Besorgungen erledigt. Die beiden Frauen betrachten zum Beispiel Fotoalben von den vielen Fernreisen, die das Ehepaar B. unternommen hat. Oder sie backen einen Kuchen, denn Backen war neben dem Reisen eine Lieblingsbeschäftigung von Frau B. Sowohl für Frau B. als auch für ihren Mann stellt die Betreuung durch Ute Harm eine Bereicherung dar: Er kann beruhigt außer Haus gehen, für sie sind die Besuche von Frau Harm Abwechslung und Gesellschaft.

Shade Kareb kann sich Zeit nehmen, auf »ihre« Senioren individuell eingehen und auch einfach einmal zuhören, wenn jemand Sorgen hat.

Shade Kareb kann sich Zeit nehmen, auf »ihre« Senioren individuell eingehen und auch einfach einmal zuhören, wenn jemand Sorgen hat.

Herr S., 82 Jahre, Elektroinstallateur im Ruhestand, wohnt seit über 50 Jahren in Stuttgart-Bad Cannstatt und ist seit drei Jahren Witwer. Er hat zwei Söhne, der eine lebt in London, der andere bei Frankfurt. Vor einem Jahr stürzte Herr S. und zog sich eine Oberschenkelhalsfraktur zu. Seitdem braucht er Unterstützung: Täglich kommt eine Pflegerin, hilft ihm bei den Mahlzeiten und gibt ihm Medikamente. Zwei Mal die Woche hilft sie Herrn S. zudem beim Duschen. Zusätzlich reinigt eine Mitarbeiterin des Servicezentrums von Anna Haag Mobil seine Wohnung.

Seit Januar betreut ihn Georg Mika. Er holt Herrn S. einmal in der Woche ab, geht mit ihm im Anna Haag Mehrgenerationenhaus Mittagessen. Danach kaufen sie ein oder fahren zum Hauptfriedhof, wo Herr S. das Grab seiner Frau besucht. Herr S. freut sich jede Woche auf den Tag, an dem Georg Mika kommt. Er telefoniert zwar regelmäßig mit seinen Söhnen, kommt aber seit seinem Sturz nur noch wenig aus seiner Wohnung. »Durch Herrn Mika«, so Herr S., »komme ich wieder unter Leute, kann ich wieder Sachen machen, die ich alleine nicht mehr konnte.«

Dass die Betreuung so gut funktioniert, hängt für Susanne Sieghart, Geschäftsführerin von Anna Haag Mobil, vor allem von der Auswahl der individuell passenden Betreuungskraft ab. »Wir achten sehr darauf, dass Betreuer/in und zu betreuende Person gut zueinander passen«, erläutert Sieghart. »Die Chemie zwischen den beiden muss stimmen.«