Erfolgreich abgeschlossenes Bildungsprojekt für junge Migrant/innen

»Durch MIGRA konnte ich berufliche und persönliche Ziele erreichen!«

Fünf Jahre lang, von 2018 bis 2022, wurde MIGRA – ein Bildungsprojekt zur Verbesserung der Arbeitsmarkt- und Integrationschancen für Jugendliche mit Migrationshintergrund – umgesetzt. Möglich machte dies ein breites Bündnis Stuttgarter Stiftungen (darunter Louis Leitz Stiftung, Vector Stiftung, Lechler Stiftung, Gerhard und Paul-Hermann Bauder Stiftung, LBBW-Stiftung und andere mehr), ergänzt durch Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die für das Projekt gespendet hatten.

Die Motivation für MIGRA entstand vor dem Hintergrund, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund in unserem Bildungssystem nach wie vor benachteiligt sind. Entsprechend hoch ist ihr Anteil in den Bildungsangeboten, die das Anna-Haag-Haus in Kooperation mit der Agentur für Arbeit umsetzt. Viele dieser jungen Menschen beenden die Schulzeit ohne Hauptschulabschluss, haben Schwierigkeiten in Deutsch und anderen Fächern und bringen weitere Aspekte einer migrationsbedingten Benachteiligung mit. Zudem wissen sie häufig nicht, wie wichtig eine Berufsausbildung ist, kennen wenige (Weiter-)Bildungsmöglichkeiten und haben oft keine Vorstellung, was sie beruflich erreichen können. Junge Frauen sind vielfach in kulturelle und familiäre Zwänge eingebunden, ihrer Bildung wird nachrangige Bedeutung beigemessen.

Das MIGRA-Konzept setzte an dieser migrationsbedingten Benachteiligung in ihrem ganzen Spektrum an und bot den Projektteilnehmer/innen individuelle Unterstützung bis hin zur Begleitung in persönlichen Problemlagen. Wesentlich waren dabei zusätzliche Angebote der Sprach- und Lernförderung, aber auch das Kennenlernen beruflicher Weiterqualifizierungsmöglichkeiten und die Erschließung präventiver Beratungsangebote. MIGRA war in besonderem Maße darauf ausgerichtet, den Projektteilnehmer/innen einen Weg in den Arbeitsmarkt zu ebnen. Dabei wurde ein Perspektivwechsel angestrebt: Der Migrationshintergrund soll nicht Nachteil sein, sondern zum Vorteil werden. Denn diese jungen Menschen verfügen über Fähigkeiten, die sie zu wertvollen Mitarbeiter/innen machen: Sie sprechen mehrere Sprachen, sind in unterschiedlichen Kulturkreisen beheimatet und verfügen meist über fundiertes Wissen um Sitten und Gebräuche.

Die Bausteine des MIGRA-Konzepts waren so angelegt, dass sie bei den Projektteilnehmer/innen ein Bewusstsein für diese Vorteile wecken konnten. Dazu wurden interkulturelle Kompetenzen gezielt erweitert, aber auch die Selbstvermarktungskompetenzen – etwa mit Blick auf ein Vorstellungsgespräch – gestärkt. Ein weiterer Schwerpunkt lag in der Akquise von Arbeitgebern, die selbst über Migrationshintergrund verfügen oder sich offen zeigen für Mitarbeiter/innen mit diesem.

MIGRA war ursprünglich auf drei Jahre angelegt, um das Konzept zu erproben und in der pädagogischen Arbeit der Bildungsstätte zu verankern. Nach dem Start erkannte das Projektteam einen Bedarf an neuen Lernmethoden für die Sprachförderung, und so wurden digitaler Unterricht und das Lernen mit iPads eingebunden. Das dritte Projektjahr 2020 stand dann ganz im Zeichen der Pandemie. Die zeitweilige Schließung der Bildungseinrichtungen traf auch das Anna-Haag-Haus, und beim Homeschooling erwies sich das »Digitalmodul« als kleiner Pluspunkt. Die Coronazeit bedeutete für MIGRA dennoch eine gewaltige Zäsur, durch die das Erreichen übergeordneter Projektziele – allen voran die Vermittlung in den Arbeitsmarkt – ins Wanken geriet: Potenzielle Arbeitgeber wie Krankenhäuser und Pflegeheime mussten sich abschotten, Branchen wie die Gastronomie waren zum Stillstand gezwungen – es gab weder Praktika noch Arbeitsplätze, in die vermittelt werden konnte. Mehr denn je benötigten die Jugendlichen in dieser Situation die Unterstützung durch das MIGRA-Team …

In dieser schwierigen Zeit entstand der Wunsch, MIGRA nicht mit dem dritten Jahr zu beenden, sondern in »MIGRA Phase II« fortzuführen. Das Konzept wurde weiterentwickelt und an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst, um den Jugendlichen neue Wege zu Praktika und Arbeitsplatz zu ebnen. Projektmodule und Arbeitsmethoden wurden digitalisiert, ein neuer Schwerpunkt »Medienkompetenz fördern« integriert und eine systematische Projektevaluation durchgeführt. Und nicht zuletzt wurden die Methoden und Erfahrungen im pädagogischen Team der Bildungsstätte verbreitert und über das Projekt hinaus nutzbar gemacht.

Durch MIGRA wurden in Phase I 122 und in Phase II 65 junge Menschen individuell unterstützt. Vor allem aber wurden persönliche Erfolgsgeschichten wie die von Ipek und Bojan geschrieben.

Ipek ist eine türkischstämmige junge Frau, die nach ihrer Förderschulzeit ins Anna-Haag-Haus kam. Anfangs hatte sie keine Vorstellung, wo es für sie beruflich hingehen könnte. Nach einem Jahr Sonderberufsfachschule wechselte Ipek in die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB). Dort war die damals 17-Jährige in einer sehr dynamischen Gruppe in viele Konflikte involviert. Doch Ipek beteiligte sich auch aktiv an MIGRA und zeigte Interesse an einer Ausbildung als Fachpraktikerin Hauswirtschaft. Durch die MIGRA-Förderung gelang es Ipek, sich trotz ihrer Lese-/Rechtschreib- und Rechenschwäche so zu verbessern, dass sie den Sprung in die Ausbildung schaffte. Zudem reflektierte sie mit Hilfe der Mitarbeiter/innen ihr Verhalten. Inzwischen hat die junge Frau, die in ihrer Freizeit aktiv Fußball spielt, ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, sie arbeitet als Hauswirtschaftskraft in einem Pflegeheim.

Bojan kam mit elf Jahren aus Mazedonien nach Deutschland. In der Familie wurde nur mazedonisch gesprochen, und Bojans Deutschkenntnisse reichten für eine Regelschule nicht aus, er besuchte die Förderschule. Trotz seiner jungen Jahre hatte Bojan ein festes berufliches Ziel: Er wollte Koch werden wie sein Großvater und seine Mutter – doch dafür fehlten ihm die schulischen Voraussetzungen.
Auf Anraten einer Beraterin der Agentur für Arbeit kam Bojan in die BvB des Anna-Haag-Hauses. Die Praxis bestätigte Bojans Eignung, und er absolvierte eine Ausbildung zum »Fachpraktiker Küche«. Bojan nutzte von Beginn an die MIGRA-Angebote, allen voran die Sprachförderung, bei der er keine Einheit verpasste und sich kontinuierlich verbesserte. Dann kam Corona – eine harte Zeit für Bojan. Doch sein Durchhaltevermögen wurde belohnt, er bekam einen Praktikumsplatz in der Großküche einer Klinik. Der junge Mann überzeugte dort derart, dass sein Anleiter ihn in die Vollausbildung zum Koch übernahm. Bojan hat sich seinen Traum erfüllt – und MIGRA war dabei für ihn besonders wertvoll. Rückblickend sagt er: »Durch MIGRA konnte ich meine beruflichen und persönlichen Ziele erreichen.«