Ein sicheres Besuchskonzept ermöglicht den Senior/innen persönliche Kontakte mit ihren Angehörigen und Freunden.

Das Anna Haag Mehrgenerationenhaus in Zeiten von Corona

Generationen auf Abstand und getrennten Wegen

Die Corona-Pandemie stellt uns alle vor besondere Herausforderungen. Auch im Anna-Haag-Haus bestimmt das neuartige Virus Sars-CoV-2 weite Teile des Alltags. Es führt zu Veränderungen, die wohl noch eine Weile andauern werden. Neben den zahlreichen Einschränkungen, die zur Eindämmung der Pandemie erforderlich waren, entstanden aber auch neue Konzepte und kreative Lösungen – getreu dem Motto »Not macht erfinderisch«.

Mit Blick auf das Gesamtkonzept des Hauses besteht die einschneidendste Änderung in der Teilung des Gebäudes in vier Bereiche: Um die Infektionsrisiken gering zu halten und insbesondere die Senior/innen zu schützen, wurden Seniorenzentrum, Bildungsstätte, Kindertagesstätte und Verwaltung strikt getrennt. Alle Verbindungswege sind gekappt, jeder Bereich nutzt eigene Zugänge, bereichsübergreifende Begegnungen finden nicht mehr statt. Wer das Anna-Haag-Haus aus der Zeit vor Corona kennt, weiß, was dies bedeutet: Das bunte Miteinander der Generationen, das dieses Mehrgenerationenhaus prägt, ist zum Stillstand gekommen, es macht gezwungenermaßen Corona-Pause.
Die Senior/innen, die im Haus leben, treffen die Einschränkungen besonders. Durch das landesweite Besuchsverbot durften zunächst keine direkten Kontakte mit Angehörigen stattfinden.

Die Mitarbeiter/innen des Seniorenzentrums suchten von Beginn an nach neuen Wegen, um den Bewohner/innen dennoch regelmäßig Kontakt zur Familie zu ermöglichen: So wurden für alle drei Wohnbereiche feste Kontaktzeiten per Telefon und Skype eingerichtet, zu denen die Senior/innen unterstützt werden. Diese Kontaktformen sind wichtig, können jedoch reale Besuche nicht ersetzen. Deshalb wurde ein sicheres Besuchskonzept – unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln – entwickelt, das Schritt für Schritt erweitert wird: Den Anfang machte ein »Besuchsplätze«, später kamen zwei Besuchspavillons auf der Terrasse hinzu. Inzwischen zeichnet sich die Aufhebung der Besuchseinschränkung ab, ab Juli werden weitgehend »normale« Besuche möglich sein. Das Interims-Besuchskonzept haben Besuchsbegleiter/innen unterstützt: Sie holten den/die Bewohner/in zum Termin ab, unterstützten bei der Händedesinfektion und erläuterten die Besuchsregeln. Der Begleitdienst zeigt zugleich, wie stark der Zusammenhalt im Haus ist: Fachkräfte der Kita, die nicht in der Notbetreuung eingesetzt waren, und Ehrenamtliche engagierten sich dabei durchaus auch an Sonn- und Feiertagen.

In der Corona-Zeit sind regelmäßige Spaziergänge für Senioren besonders wichtig.

Vor Corona gab es im Anna-Haag-Haus viele Aktivitäten und Projekte auch für die Senioren. Seitdem sie nun auf die Begegnungen mit Kindern, Jugendlichen und vielen anderen Menschen verzichten müssen, wurde es umso wichtiger, einen abwechslungsreichen Tagesablauf zu gestalten. Dazu gibt es ein buntes Wochenprogramm mit regelmäßigen Spaziergängen, Aktivierung in Kleingruppen, vielen Haus- und Hofkonzerten und »Events« auf Distanz, die durch das Mehrgenerationenkonzept mit seinen zusätzlichen Personalressourcen und der besonderen Architektur des Hauses möglich sind.

Auch Personaleinsatz und interne Abläufe des Seniorenzentrums wurden – wie im gesamten Haus – so verändert, dass nur stabile, nachvollziehbare Kontakte entstehen. Die Mitarbeiter/innen wurden je einem der drei Wohnbereiche fest zugeordnet, Umkleide- und Pausenräume getrennt, Aufgaben neu verteilt. Die Vorsichtsmaßnahmen haben gegriffen: Im Juni wurden alle Mitarbeiter und Bewohner getestet, bislang trat kein Infektionsfall auf.

Im Bildungsbereich des Anna-Haag-Hauses brachte Corona ebenfalls umwälzende Einschnitte: Zeitgleich mit Schulen und Kitas musste auch die Bildungsstätte Mitte März schließen. Mitarbeiter/innen gingen ins Homeoffice und entwickelten – sozusagen von 0 auf 100 – »Hometeaching« mit digitalen Lerneinheiten. Als schwierig erwies sich dabei die unterschiedliche Ausstattung mit Endgeräten bei den Teilnehmer/innen. Notgedrungen entstand ein Unterrichtsmix, bei dem sich Lehrvideos, Unterricht per Videokonferenz, Aufgabenblätter und Projektaufgaben via Lernplattformen, Skype bis bin zu Telefonaten und Postsendungen gegenseitig ergänzten – je nachdem, was im Einzelfall möglich war. Dennoch gelang es den Mitarbeiter/innen in kurzer Zeit, Lösungen und Konzepte zu entwickeln und täglichen Kontakt mit allen Jugendlichen zu halten. Mindestens einmal pro Woche, bei Bedarf öfter, wurde zudem jede/r Jugendliche bilateral durch sozialpädagogische und psychologische Fachkräfte unterstützt.

Nach Ostern durften wieder Jugendliche der Abschlussjahrgänge sowie Erwachsene in Weiterbildungsmaßnahmen zu zeitweisen Präsenzangeboten ins Haus. Für die Jugendlichen stand die Prüfungsvorbereitung im Vordergrund, die Teilpräsenz war für die Sonderberufsfachschule und die dritten Jahrgänge der Ausbildung möglich. Mit Ende der Pfingstferien wurde ein weiterer Öffnungsschritt vollzogen: Nun gibt es für die gesamte Bildungsstätte wieder Präsenzangebote in Kombination mit Lerneinheiten für zuhause. Dazu wurde ein ausgeklügeltes System mit festen Kleingruppen von bis zu sieben Jugendlichen, gleichbleibenden Mitarbeitern und versetzten Ankunfts- und Pausenzeiten entwickelt. Diese Präsenzzeiten werden weiter ausgebaut – wie wichtig sie sind, zeigt sich auch daran, wie sehr die Jugendlichen sich freuen, wieder ins Haus zu dürfen.

Ein Lied per Videobotschaft bereitet die Kinder auf die Rückkehr in die Kita vor.

Derartige Freude ist auch deutlich bei den Kindern zu spüren, die nach wochenlanger Abstinenz wieder in der Kita mit anderen Kindern toben. Auch in den beiden Kitas des Hauses – der Kindervilla und der Kita Anna Haag – gab es nach der Schließzeit mit reiner Notbetreuung inzwischen eine mehrstufige Öffnung. Doch selbst während der Schließphase hielten die Fachkräfte den Kontakt zu »ihren« Kindern, schickten regelmäßig Videobotschaften und erstellten News- und Grußletter unter dem Motto »Kreativ im Chaos«. Mit der erweiterten Notbetreuung, dem dann folgenden eingeschränkten Regelbetrieb und dem nun für Ende Juni bevorstehenden Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen können immer mehr und schließlich alle Kinder zurück in die Kitas, wenn auch nicht im vollen Zeitumfang. Auch für die Kitas gelten strenge Hygieneregeln. Hinzu kommt eine Kontakt- und Gruppentrennungsauflage, die bedeutet, dass kleine, konstante Gruppen mit gleichbleibenden Fachkräften gebildet wurden und sich Kinder verschiedener Gruppen nicht begegnen dürfen. Dies umzusetzen erforderte auch unorthodoxe Lösungen – doch es war absolut sinnvoll, um die Familien zu entlasten und die Kinder wieder mit anderen Kindern zusammenzubringen. Beiden Kitas war es dabei ein großes Anliegen, frühzeitig möglichst allen Familien ein verlässliches Betreuungsangebot zu unterbreiten. So besuchten bereits Anfang Juni wieder 100 der insgesamt 125 Kinder »ihre« Kita bzw. Kindervilla Anna Haag.

Vorstand Jörg Schnatterer bewertet die momentane Gesamtsituation wie folgt: »Ich finde, wir sind bisher ganz gut durch diese Krise gekommen. Mich fasziniert besonders, wie kreativ unsere Mitarbeiter/innen Neues entwickeln und wie viel Unterstützung wir von außen erfahren. Beides stimmt mich zuversichtlich, dass wir diese schwierige Zeit auch weiterhin gut meistern werden.«