Nach der BvB wechselt Reyhan nun in die dreijährige Ausbildung zur Fachpraktikerin Hauswirtschaft.

Nach der BvB wechselt Reyhan nun in die dreijährige Ausbildung zur Fachpraktikerin Hauswirtschaft.

Berufsvorbereitung im Anna Haag Mehrgenerationenhaus

Die Bildungsstätte des Anna Haag Mehrgenerationenhauses ist darauf spezialisiert, Abgänger von Förder- und Sonderschulen in unterschiedlichen Angeboten der beruflichen Bildung auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Dies geschieht zum einen in der Fördergruppe, die vorwiegend junge Menschen mit einer geistigen Behinderung aufnimmt. Zum anderen bietet das Haus vier unterschiedliche Fachpraktiker-Ausbildungen im hauswirtschaftlichen und handwerklich-technischen Bereich. Diese dreijährigen Ausbildungen ermöglichen jungen Menschen mit Förderbedarf einen anerkannten Berufsabschluss als Fachpraktiker/in Hauswirtschaft, Fachpraktiker/in Küche, Fachwerker/in für Gebäudeund Umweltdienstleistungen oder Autofachwerker/in. Da jedoch nicht alle Abgänger/innen von Förderschulen direkt in eine Ausbildung starten können oder möchten, umfasst das Spektrum der Bildungsstätte mit Sonderberufsfachschule und Berufsvorbereitender Bildungsmaßnahme (BvB) auch zwei Angebote der Berufsvorbereitung. Die Sonderberufsfachschule (auch Vorqualifizierung Arbeit/Beruf – VAB genannt) führt dabei einen schulischen Alltag mit festem Klassenverbund, täglichen Unterrichtszeiten in 45-Minuten-Einheiten und einem Jahresrhythmus mit Schulferienkalender fort. In diesem vertrauten Rahmen bekommen die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre schulischen Kenntnisse zu festigen. Pro Woche gibt es zudem einen Praxistag, an dem die Sonderberufsfachschüler die Arbeitsbereiche der vier Fachpraktiker-Ausbildungen kennenlernen.

In der Sonderberufsfachschule wird derzeit im Klassenverbund mit zehn Schülern gelernt. Jonas ist in allen Fächern ein guter Schüler.

In der Sonderberufsfachschule wird derzeit im Klassenverbund mit zehn Schülern gelernt. Jonas ist in allen Fächern ein guter Schüler.

Die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme ist stärker an Ausbildungsabläufe angelehnt. Hier umfasst der Wochenplan bis zu drei Praxistage, die Teilnehmer/innen besuchen an einem Tag pro Woche eine externe Berufsschule, und hausintern treten theoretische und sozialpädagogische Fördereinheiten hinzu. Das Ziel der BvB besteht darin, für jede/n Teilnehmer/in einen individuell passenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden.

In beiden Formen der Berufsvorbereitung können sich die Jugendlichen ein Jahr lang orientieren und – unterstützt durch Ausbilder und Pädagogen – eigene Stärken entdecken. Sie gewinnen Einblick in die Arbeitsbereiche Gro.küche, Kantine/Café, Wäscherei, Hausreinigung, Gebäudeversorgung sowie die Arbeiten in einer Werkstatt für Holz, Metall und Kfz. Beim »Schnuppern« in der Praxis entsteht nicht nur ein klareres Bild vom späteren Beruf, auch Ausbildungsmotivation und -reife können in einem Jahr Berufsvorbereitung auf- und ausgebaut werden.

Darüber hinaus sind sowohl die BvB-Teilnehmer als auch die Sonderberufsfachschüler eng in die generationenverbindenden Angebote des Anna Haag Mehrgenerationenhauses eingebunden. Sie nehmen am intergenerativen Frühstück teil, bewirten beim Kino-Café, backen oder basteln gemeinsam mit Kindern und Senioren und beteiligen sich mit großem Einsatz an jahreszeitlichen Aktivitäten sowie an Projekten.

Reyhan hat gerade die BvB im Anna Haag Mehrgenerationenhaus besucht. In diesem Jahr ergaben sich wichtige Weichenstellungen für Reyhans berufliche Zukunft, die so zunächst nicht zu erwarten waren. Die junge Frau stammt aus einer türkischsprachigen Familie, Deutsch hat sie in Kindergarten und Schule gelernt, sich vieles selbst beigebracht. Reyhan hat eine Förderschule besucht, danach ging sie ein Jahr lang auf eine hauswirtschaftliche Schule in Böblingen, bevor sie im September 2012 in die Fördergruppe des Anna-Haag-Hauses aufgenommen wurde. Hier gehörte Reyhan zu den leistungsstarken Teilnehmern, sie zeigte viel Motivation, entwickelte ihre schulischen Leistungen weiter und bekam aus verschiedenen Praktika – in einem Reinigungsunternehmen sowie in hauswirtschaftlichen Tätigkeitsfeldern eines Seniorenheims und einer Kindertagesstätte – positive Rückmeldung. Bei einem der Praktikumsgeber sollte ein Arbeitsplatz für Reyhan entstehen, doch dies ließ sich letztlich nicht realisieren. So kam die junge Frau in die BvB – ursprünglich mit dem Ziel, sie dort bei der Suche nach einem passenden Arbeitsplatz zu unterstützen. Rasch fiel auf, dass Reyhan auch in der BvB zu den Leistungsstärksten ihres Jahrgangs zählte: Sie kann blitzschnell Kopfrechnen und sich generell Zahlen sehr gut merken. Auch in der Praxis lernt sie rasch, Arbeiten mit strukturierten Abläufen kann sie nach Erklärung selbstständig übernehmen.

Parissa Jaberi, Beratungsfachkraft im Reha-Team der Agentur für Arbeit Stuttgart, schlug vor diesem Hintergrund vor, Reyhan solle an Stelle einer Anlerntätigkeit doch besser eine Ausbildung antreten. Begleitend befürwortete sie die Aufnahme in das Internat des Anna-Haag-Hauses, sodass Reyhan unter der Woche in Stuttgart wohnen und sich ganz auf ihre Ausbildung konzentrieren kann. Für Reyhan ging damit ein großer Wunsch in Erfüllung. »Eine Ausbildung ist so wichtig«, sagt die 21-Jährige, die ab September den Beruf der Fachpraktikerin Hauswirtschaft im ersten Lehrjahr erlernt.

Ab September ist Jonas Auszubildender im handwerklich-technischen Bereich.

Ab September ist Jonas Auszubildender im handwerklich-technischen Bereich.

Ganz anders, jedoch nicht weniger erfolgreich verläuft die Geschichte von Jonas. Der 16-Jährige kam im Sommer 2015 in die Sonderberufsfachschule. Jonas hatte davor eine Förderschule besucht und sich schulbegleitend mit einem freiwilligen sozialen Schuljahr in einem Seniorenheim engagiert. Er verfügt über ein hohes Maß an Sozialkompetenz, wirkt im Klassenverbund ausgleichend, schlichtet Streit und sorgt durch seine gute Laune für ein positives Klima in der Klasse. Auch beruflich kam Jonas mit einem Ziel ins Anna-Haag-Haus: Er wollte nach der Sonderberufsfachschule eine Ausbildung zum Fachwerker für Gebäude- und Umweltdienstleistungen aufnehmen. Wie seine Klassenkameraden durchlief Jonas alle hauswirtschaftlichen und handwerklich-technischen Arbeitsbereiche. Denn nur so konnten er, aber auch seine Lehrer und Ausbilder überprüfen, ob diese Ausbildung wirklich zu Jonas passt. Selten war das Ergebnis so eindeutig: Jonas Eignung bestätigt seinen Berufswunsch, und so beginnt der junge Mann in diesem September die Ausbildung zum Fachwerker für Gebäude- und Umweltdienstleistungen.