Eine Sozialpädagogin unterstützt die My-Way-Teilnehmerinnen dabei, ihre berufsbezogenen Deutschkenntnisse zu verbessern.

»My Way« ist ein niederschwelliges Projekt zur Arbeitsmarkintegration von Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund, das die Bildungsstätte des Anna Haag Mehrgenerationenhauses im Auftrag des Jobcenters Stuttgart seit November 2022 umsetzt. Vorangegangen war eine öffentliche Ausschreibung, in der das Konzept des Anna-Haag-Hauses den Zuschlag erhielt.

Die Zielgruppe von »My Way« sind geflüchtete Frauen, in der Regel ohne (anerkannten) Berufsabschluss, die bereits seit einigen Jahren in Deutschland leben, aber noch nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten. Dies ist überwiegend darauf zurückzuführen, dass diese Frauen durch die Betreuung ihrer Kinder gebunden sind. Vielfach kommen sie aus Familien- und Kulturkreisen, in denen eine Fremdbetreuung der Kinder nicht üblich ist. Ein zweiter wesentlicher Faktor, der den Arbeitsmarktzugang erschwert: Die Frauen verfügen über keine oder geringe Deutschkenntnisse, sie haben sich bislang meist in einem Umfeld – insbesondere der eigenen Familie – bewegt, in dem Deutsch nicht benötigt wird. Weitere Vermittlungshemmnisse wie niedriger Bildungsstand, psychische Vorbelastung durch traumatische Fluchterfahrungen oder soziokulturelle Prägungen mit traditionellen Rollenbildern (etwa: »Eine Frau arbeitet nicht außerhalb der Familie.«) treten hinzu.

Bei »My Way« geht es zuallererst darum, diese schwierigen Rahmenbedingungen der Frauen zu verbessern. Der Leitgedanke des Projekts besteht darin, dass vor einer berufsbezogenen Qualifikation und der Integration in den Arbeitsmarkt erst einmal die Steine aus dem Weg geräumt werden müssen, die den Weg in Arbeit blockieren. Wichtige Ansatzpunkte sind dabei die Kinderbetreuung, der Einbezug des persönlichen Umfelds zum Aufbau eines unterstützenden Netzwerks sowie Sprachförderung zu Erwerb und Verbesserung von Deutschkenntnissen. Erst wenn bei diesen »Steinen« die Räumarbeiten begonnen wurden und Lösungen in Sicht sind, kann die berufspraktische Qualifizierung, die »My Way in den beiden Schwerpunkten Pflege und Hauswirtschaft bietet, auch tatsächlich greifen.

Das Anna-Haag-Haus ist geradezu prädestiniert, ein derartiges Gesamtkonzept umzusetzen: Die Bildungsstätte verfügt über Mitarbeiter*innen mit Know-how in der sozialpädagogischen Begleitung und psychosozialen Unterstützung der Teilnehmerinnen. Dies umfasst auch ein breites Erfahrungsfeld in der Sprach- und Lernförderung durch erfolgreich abgeschlossene Projekte mit jungen Migrant*innen. Die Kindertagesstätten des Hauses können Lösungen für die Kinderbetreuung ermöglichen. Und das gesamte Mehrgenerationenhaus bietet ein breites Spektrum an Arbeitsbereichen in Pflege und Hauswirtschaft: Vom Seniorenzentrum über Großküche, Café/Kantine, Hausreinigung, Wäscherei bis hin zur Kita sind verschiedene Praxisfelder im Haus gegeben, die unter fachlicher Anleitung der Ausbilder*innen erkundet werden.

»Pflege« und »Hauswirtschaft« sind die Schwerpunkte der Berufsorientierung.

Dabei ist klar: »My Way« ist kein Projekt für große Gruppen. Im Vordergrund steht vielmehr eine individuelle und sehr persönliche Betreuung der teilnehmenden Frauen. Zwei Sozialpädagoginnen begleiten und unterstützen als »Coaches« bis zu 15 Frauen, die rund ein Jahr an »My Way« teilnehmen.

In der Umsetzung sind drei Phasen zu unterscheiden: Eine erste achtwöchige »Klärungsphase«, in der die Plätze nach und nach besetzt werden. Mögliche Teilnehmer*innen werden durch das Jobcenter benannt und individuell von den Coaches beraten und unterstützt. Das bereits erwähnte »Steineräumen«, etwa durch Organisation der Kinderbetreuung, Klärung familiärer Strukturen und vieler Alltagsfragen, steht im Fokus. Sprachliche Hürden werden anfangs durch Übersetzer aus dem Umfeld oder den Einbezug von Dolmetschern überbrückt. Das Kennenlernen der Gruppe und des Anna-Haag-Hauses beginnt, erste Unterrichtseinheiten finden statt.

In Phase 2, der Orientierungsphase, die sechs Wochen umfasst, ist die Aufnahme abgeschlossen. Nun starten Sprachförderangebote und erste berufliche Erprobungen in Pflege und Hauswirtschaft. Die Coaches arbeiten in der Gruppe und in vielen Einzelsettings mit den Frauen, um berufliche Perspektiven zu entwickeln, Selbstvertrauen zu stärken, familiäre und kulturelle Hemmnisse aufzulösen. Sie helfen aber auch in alltagspraktischen Fragen, bei Anträgen und Behördengängen usw.

Die dritte Phase »Kennenlernen der Berufspraxis« dauert neun Monate, in denen alle Inhalte aus Phase II fortgeführt werden. Jedoch wählen die Frauen jetzt aus den Schwerpunkten »Pflege« und »Hauswirtschaft« aus, welches Berufsfeld sie vertiefen möchten. Die Coaches organisieren nun Praktikumsplätze bei externen Arbeitgebern im gewünschten Berufsfeld und begleiten die Praktika eng. Bis zu drei Praktika absolviert jede Teilnehmerin, wobei der erste externe Einsatz vor allem dazu dient, eigenständige Erfahrungen ohne den »My Way«-Rahmen der Gruppe zu sammeln und die Kommunikation mit Vorgesetzten und Arbeitgeber zu üben. Im zweiten und ggf. dritten Praktikum geht es dann um einen individuell passenden Arbeitsplatz, also um den gewünschten Übergang in ein festes Beschäftigungsverhältnis.

Die Bilanz des ersten »My Way«-Kurses war ausgesprochen positiv: Von elf Frauen, die »My Way« nach einem Jahr abschlossen, wurden fünf direkt in den Arbeitsmarkt vermittelt. Zwei weitere Teilnehmer*innen waren vermittelt, eine konnte den Arbeitsplatz jedoch durch Schwangerschaft, die zweite aus anderen Gründen nicht antreten. Zwei Frauen entschieden sich vor einer Arbeitsaufnahme für weiterführende Sprachkurse. Bei zwei Frauen war eine Vermittlung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.

Der noch bis November 2024 laufende zweite »My Way«-Kurs umfasst 13 Teilnehmerinnen mit sehr guter Prognose. Die Hälfte der Frauen ist Ende August bereits vermittelt. Sie fanden Jobs als Pflegehelferinnen und Alltagsbegleiterinnen in Seniorenzentren, als Küchenmitarbeiterin in einem Restaurant sowie als Service- und Küchenkräfte in Betriebs- und Schulkantinen.

Frau O. während ihrer »My Way«-Zeit in der Großküche des Anna-Haag-Hauses.

Eine der Absolventinnen des ersten Jahrgangs ist Frau O., die aus Nigeria stammt und hier anerkannten Asylstatus hat. Als Frau O. zu »My Way« kam, sprach sie Edo, Italienisch und Englisch, aber nur wenig Deutsch. Durch »My Way« gelang es, Frau O.s familiäre Situation zu stabilisieren, sodass für sie Familie und Beruf vereinbar wurden. Frau O. konnte sich auf ihre berufliche Zukunft konzentrieren: Sie war hochmotiviert, lernte gerne und schnell, verbesserte ihr Deutsch und erwarb berufsbezogene Sprachkenntnisse. Im praktischen Bereich überzeugte sie in Küche und Kantine, und schließlich bekam sie nach einem Praktikum eine Festanstellung in der Schulkantine eines Stuttgarter Gymnasiums. Ein Arbeitsplatz, den Frau O. mit Freude und Engagement ausübt und der ihr als Mutter entgegenkommt, da in den Schulferien reduzierte Arbeitszeiten anfallen.