Die Bindung zu vertrauten Personen sowie feste Rituale und Strukturen sind Weichensteller in der frühkindlichen Entwicklung.

»Zwei Dinge sollten wir unseren Kindern geben: Wurzeln und Flügel«

Neues Krippenkonzept der Kindertagesstätte im Anna Haag Mehrgenerationenhaus

In der Kita Anna Haag, der Kindertagesstätte im Anna Haag Mehrgenerationenhaus, werden ganztägig 70 Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren betreut und in ihrer Entwicklung begleitet. Die Gesamtkonzeption des Hauses prägt auch die pädagogische Arbeit in der Kita, deren Schwerpunkte sich mit »intergenerativ« und »inklusiv« umreißen lassen.

Im Mehrgenerationenhaus begegnen sich die Generationen wie in einer Großfamilie: Kinder, Jugendliche und Senioren backen gemeinsam, spielen Theater, gärtnern, basteln oder werken zusammen. Sie treffen sich beim intergenerativen Frühstück, zu jahreszeitlichen Anlässen und feiern gemeinsam Feste. Jede Kita-Gruppe besucht regelmäßig »ihre« Senioren auf einem Wohnbereich, und umgekehrt sind die Senioren gern gesehene Stammgäste in der Kita. So erleben die Kinder in ihren Alltagskontakten ein positives Miteinander der Generationen. Dieser selbstverständliche Umgang mit alten und jungen Menschen mit und ohne Behinderungen stärkt soziale Kompetenzen wie Toleranz, Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen.

Die Kita Anna Haag ist eine Inklusionskita – Kinder mit und ohne Behinderung wachsen zusammen auf, spielen miteinander und lernen voneinander.

Die Kita ist zudem eine Inklusionskita, die Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam betreut. Dabei sind die bis zu sieben »Inklusionsplätze« nicht an eine bestimmte Form der Beeinträchtigung gebunden, es können sowohl Kinder mit geistiger als auch Kinder mit körperlicher Behinderung aufgenommen werden. Positive Effekte bewirkt dieser Ansatz für alle Kinder, ganz gleich, ob sie ein Handicap haben oder nicht.
Neben diesen übergeordneten Schwerpunkten, die alle Kinder der Kita Anna Haag in altersgerechter Form einbeziehen, gibt es spezifische Leitlinien für die Bereiche Krippe (Kinder von 0 bis 3 Jahren) und Kindergarten (Kinder von 3 bis 6 Jahren).

Insbesondere an der Weiterentwicklung des Krippenkonzepts haben Dagmar Bender, die Bereichsleitung Kindertagesstätten des Anna-Haag-Hauses, und ihr Kita-Team in der letzten Zeit intensiv gearbeitet. Beginnend mit einem Pädagogischen Tag, wurden Konzepte entwickelt, um dem so wichtigen Thema »Bindung« in der Kita – und ganz besonders in den Krippengruppen – noch besser gerecht zu werden. Eine gute, vertrauensvolle Bindung ist wichtige Voraussetzung, damit Kinder sich entwickeln und bilden können. Sie entsteht unter anderem durch kontinuierliche Bezugspersonen – innerhalb der Familie, aber auch außerhalb. Die Kita, in der die Kinder eine prägende Lebensphase verbringen, nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein.

Bei der Aufnahme in die Kita Anna Haag wird deshalb besonderer Wert auf eine individuelle, an das Tempo des Kindes angepasste Eingewöhnung gelegt. Denn die ersten Wochen in der neuen Umgebung stellen die Grundlage für den vertrauensvollen Beziehungsaufbau zwischen Kind, Eltern und pädagogischen Fachkräften dar. Ziel in dieser Phase ist es, am Interesse des Kindes an der neuen Umgebung anzuknüpfen und ihm die Möglichkeit zu geben, eine sichere Bindung mit den neuen Bezugspersonen aufzubauen. Dabei ist es wichtig, dass zu Beginn eine vertraute Bezugsperson anwesend ist. Die vertraute Person, meist ist es ein Elternteil, gibt dem Kind Sicherheit und bietet somit die Grundlage für das Erkunden der neuen Umgebung. Auf dieser Basis kann das Kind im weiteren Verlauf eine neue Bindung eingehen.

Bei der Weiterentwicklung des Krippenkonzepts der Kita Anna Haag wurde genau beleuchtet, wie es gelingen kann, Bindung sicher und stabil zu gestalten. Das pädagogische Team nahm dafür grundlegende Veränderungen vor und stellte die Struktur der Krippengruppen von altersgemischten auf altershomogene Gruppen um. Zugleich wurden die Gruppengrößen angepasst: Je jünger die Kinder, desto kleiner die Gruppe, wodurch Bindung erleichtert wird. Die wichtigste Neuerung besteht jedoch darin, dass die pädagogischen Fachkräfte »ihre« Kinder über die komplette Krippenzeit begleiten. Um der Bedeutung der Bindung gerecht zu werden, wechseln die Fachkräfte jährlich gemeinsam mit den Kindern die Gruppe und den Gruppenraum. Die Kinder können so in jedem Krippenjahr eine altersgerecht eingerichtete Umgebung erkunden und neue Interessen entwickeln, wobei ihnen die vertrauten Bezugspersonen Sicherheit geben.

Die dergestalt optimierte Krippenstruktur sieht wie folgt aus: Der Krippenbereich umfasst drei Stammgruppen für insgesamt 30 Kinder. Die Gruppengröße ist gestaffelt. Die Allerkleinsten im Alter von 0 bis 1 Jahren beginnen in Gruppe Blau. In dieser Gruppe liegt der Fokus auf einem behutsamen Ankommen in der Kita. Die Gruppengröße ist auf acht Kinder begrenzt. Dadurch können die Fachkräfte intensiv auf die persönlichen und je nach Tagesform variierenden Bedürfnisse der Kinder in diesem sensiblen Alter eingehen.

Nach einem Jahr wechseln das Fachkräfteteam und die acht Kinder, nunmehr im Alter von 1 bis 2 Jahren, in Gruppe Orange. Hier werden zwei weitere Kinder eingewöhnt, sodass eine Gruppengröße von zehn Kindern erreicht wird. In diesem Alter entwickeln die Kleinen mehr Selbstständigkeit, beispielsweise beim Essen oder beim An-/Ausziehen, und sie knüpfen verstärkt soziale Kontakte. Die Kinder nehmen mehr und mehr an Angeboten und intergenerativen Aktionen der Kita teil.

Wiederum ein Jahr später wechseln die dann 2- bis 3-Jährigen gemeinsam mit ihrem Fachkräfteteam in Gruppe Grün. Die Gruppenräume grenzen räumlich an den Kindergartenbereich, es gibt mehr Begegnung und Berührungspunkte mit den älteren Kindern, und die intergenerativen Aktivitäten gehören zum gewohnten Kita-Alltag. Die Kinder werden weiter selbstständiger, sie beginnen beispielsweise, alleine zur Toilette zu gehen. Auch in Gruppe Grün werden zwei weitere Kinder eingewöhnt, sodass die Gruppe schließlich zwölf Kinder umfasst.

Im Garten der Kita Anna Haag verbringen alle Kinder viel Zeit, auch die Krippenkinder spielen täglich im Freien, oft auch mit größeren Kindern.

Ein besonderer Schwerpunkt in Gruppe Grün liegt darauf, die Krippenkinder auf den Übergang in den Kindergarten vorzubereiten. Denn nach Ablauf des dritten Krippenjahres teilt sich Gruppe Grün, die Kinder wechseln in den Kindergarten. Dessen altersgemischte Gruppen Rot und Gelb umfassen jeweils 20 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren.

Die Umgewöhnung von Krippe auf Kindergarten findet dabei allmählich statt: Den Anfang macht ein Frühstück, zu dem die Kinder der Gruppe Grün einmal in der Woche gemeinsam mit ihren jeweiligen Bezugsfachkräften ihre künftige Kindergartengruppe besuchen. Dann werden die Besuchszeiten ausgedehnt, die Teilnahme an Wald- und Aktionstagen kommt hinzu, die Kinder »wachsen« in ihre neue Gruppe hinein. Mit diesem sanften Übergang können die Kinder neue Bindungen eingehen – in der Gruppe, vor allem aber auch zu den Fachkräften im Kindergarten, die sie dann als feste Bezugspersonen für weitere drei Jahre betreuen.