Claudine Geils ist verantwortlich für das kreative Treiben auf dem sogenannten Marktplatz im Anna-Haag-Haus an der Martha-Schmidtmann-Straße 16. Foto: Claudia Leihenseder

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Jubiläum in Bad Cannstatt

Zehn Jahre Malatelier: Offen und frei

Von Claudia Leihenseder

Claudine Geils hat das Malatelier 3F ins Leben gerufen. Nun ist Vernissage für die Jubiläumsausstellung. Freiheit leitet die Gruppe, die offen ist für alle Generationen und künstlerischen Ideen.

Bad Cannstatt – Es begann mit einer kleinen Anschubfinanzierung der Bürgerstiftung Stuttgart: Für genau 500 Euro hat Claudine Geils vor zehn Jahren Leinwand, Farbe und Pinsel gekauft, hat ein wenig Werbung für ihre Idee gemacht. Der Rest lief von selbst – und ist auch heute noch ein Selbstläufer.

Es ist Dienstag, 17 Uhr. Wie an fast jedem Dienstag in den vergangenen Jahren herrscht kreatives Treiben auf dem sogenannten Marktplatz im Anna-Haag-Haus, dem Mehrgenerationenhaus an der Martha-Schmidtmann-Straße. Die Tische sind abgedeckt, die Farbtuben liegen bereit. Die Pinsel warten in ihren Gefäßen auf die kleinen und großen Künstler. „Meine Grundidee, Freiheit zu geben, ist nach wie vor wichtig – und richtig“, sagt Claudine Geils. Freiheit, weil es keine Mitgliedschaft gibt. Freiheit, weil jeder kommen kann, der will – ob Senior, Schulkind, Manager oder Mitarbeiter. Jeder ist willkommen. Und Freiheit, weil in jedem die Kreativität sprudeln kann.
Künstlerischer und menschlicher Austausch

Claudine Geils, inzwischen 72 Jahre alt, ist immer da, wenn jemand doch mal Hilfe braucht. Gerne erklärt sie verschiedene Techniken, wie man mit Acryl die Leinwand bearbeiten und gestalten kann. Sie zeigt, wie die Dienstagskünstler mit Werkzeugen wie einem Spachtel Effekte hervorrufen können. Ansonsten gilt: „Wir geben Raum und Zeit und das Material“, sagt Geils. Den Rest – die Idee, die Lust, die Muße – muss der Künstler selbst mitbringen.

So sind in all den Jahren die unterschiedlichsten Bilder entstanden. Collagen, wilde Farbräume, Blumenwiesen. Auch Berglandschaften, Porträts von Pinguinen oder von Pipi Langstrumpf und sogar Aktzeichnungen. „Ich bin schon stolz auf meine Künstler“, sagt Geils. Für manche sei es schon eine große Leistung, was sie so wöchentlich auf die Leinwand bringen. Manche malen trotz Parkinson oder Spastik; manche mit Baby im Tragetuch. Und manche einfach so. Oder gar nicht. Denn wenn die Lust zum Malen fehlt, kommen einige Künstler nur vorbei zum Reden und Schauen. „Bei uns gibt es einen großen Austausch – künstlerisch und menschlich“, sagt Geils. Malen war für die gebürtige Französin aus der Bretagne schon immer ein Teil ihres Lebens. Schon in Frankreich hat sie viel gemalt und wollte sogar auf die Kunstschule gehen. Doch der frühe Tod ihres Vaters setzte diesem Traum ein jähes Ende. Als sie ihren deutschen Mann heiratete, einen Witwer mit drei Kindern, war erst recht keine Zeit für die Kunst. Und nach der Geburt ihrer drei eigenen Kinder erst recht nicht. Erst als sie selbst wieder arbeitete und die Kita des Anna-Haag-Hauses leitete, hatte sie die Möglichkeit. Doch Malen wurde für Geils auch Therapie, als ihr Mann 2003 verstarb.

Im Jahr 2007 kam dann die große Gelegenheit: Die Kita von Claudine Geils und alle anderen Anna-Haag-Einrichtungen zogen in das frisch errichtete Mehrgenerationenhaus. Das Atrium in der Eingangshalle, das „Marktplatz“ getauft wurde, bot endlich Raum für eine große Idee: das Malatelier 3F, was übrigens für „Farbe, Freude, Freiheit“ steht. Seitdem leitet Claudine Geils ehrenamtlich ihr offenes Malangebot für alle. Und auch nach zehn Jahren gilt für die Französin: „Es macht mir noch immer unheimlich viel Spaß.“